Blog: September

Freitag, 18.09.15

So, Rundbrief Nummer 4 kommt nun etwas später, als die bisherigen. Das liegt daran, dass ich zum einen viel beschäftigt bin, aber auch, weil ich eigentlich ein bisschen weniger schreiben will. Jetzt ist es aber doch wieder eine ganze Menge und ich habe noch nicht einmal von meiner letzten Woche erzählt! Deswegen mache ich Überschriften und ihr müsst selbst entscheiden, was ihr lesen wollt und was ihr lieber überspringt, denn es ist wirklich viel. Mir jedoch tut das Schreiben sehr gut, zum einen als Erinnerung, aber auch um das Erlebte noch einmal zu reflektieren. Außerdem bringt es mir eine Menge Spaß und es fällt mir leicht. Und vielleicht gibt es da draußen ja auch jemanden, den das wirklich ALLES interessiert. Obwohl ich vollstes Verständnis für diejenigen habe, bei denen das halt nicht so ist :D

Fleisch

Zuerst einmal muss ich etwas verkünden: Ich kann mich nicht mehr Vegetarier nennen. Jako sagt, dass er in diesem Land zum halben Vegetarier wird, die Beschreibung ist auch für mich passend. Halber Vegetarier. Ich seh die toten Tier auf dem Markt hängen und ich schau es mir an. Es stinkt und ich will es wirklich nicht berühren müssen, aber ich schaue es mir sehr gern an, es ist interessant. Und ich probiere alles. Also ich würde mir niemals ein fleischiges Gericht bestellen, aber ich probiere jede Fleischart beim Nachbarn aus. An einem Abend haben wir Besuch von Yins chinesischen Freunden bekommen und die hatten sooo viel Essen dabei. So kam es (wie wir natürlich erst im Nachhinein herausfanden), dass wir selbst gefangenen Fisch aus dem Mekong probierten, außerdem Schweinefuß, Rinderzunge, und noch irgendwas... Mir hat alles nicht besonders geschmeckt und ich wollte eh nur probieren, so blieb ich bei meinem Kohl und Tofuzeug, was auch wirklich verdammt lecker war. Der Abend war total witzig und so voller Leben! Ich war sehr dankbar. Wofür ich außerdem dankbar bin, was ebenfalls mit Essen zu tun hat: Wir haben endlich die Frau gefunden, die in unserer Straße Fried Bananas verkauft. Ein Geschenk Gottes. Triefend vor Fett, aber ich habe Fett schon immer geliebt. Und unter uns: Ich erzähle trotzdem noch überall rum, dass ich Vegetarier bin.

Respektperson?

Naja zu wichtigeren Dingen im Leben: Ich kann mir inzwischen alle Namen meiner Schüler aus meinen drei Klassen merken! Das ist soo schön! Sowieso gefällt mir die Beziehung, die ich zu meinen Schülern bis jetzt aufgebaut habe extrem gut. Die Kleinen umarmen mich und diese Liebe, die sie einem  dadurch entgegen bringen, und was auf den Fotos (wie ich finde) immer so albern aussieht, fühlt sich in Wirklichkeit wahnsinnig gut an. Meine älteren Schüler umarmen mich natürlich nicht, sie wollen auch nicht nach jeder Stunde einen Handklatsch haben, sie schreien mich auch nicht immer auf der Straße mit „Tschaaah!!“ (=Teacher) an, sondern lächeln eher glücklich und sagen Hi. Sie sagen mir, dass sie sehr froh sind von mir unterrichtet zu werden, und sie reden mit mir über private Themen. Ich fühle mich nicht als Respektperson und ich bin auch niemand, der ein Fan von großem Respekt und dadurch entstehender Distanz ist. Mir gefällt die Nähe zu meinen Schülern sehr und sie macht mich glücklich. Nicht nur im Unterricht, sondern auch auf der Straße, eben weil die Kinder hier überall wohnen und unterwegs sind, und sich auch außerhalb des Unterrichts freuen, wenn sie mich sehen, das ist total ansteckend. Und süß ist es auch, wenn die Eltern dann lächeln, weil sie es irgendwie auch witzig finden. Und der Hammer ist es, wenn sie ihre Kinder nachahmen und uns ebenfalls mit einem lauten „Hello!“ vom Straßenrand grüßen und erwartungsvoll warten, bis man zurückgrüßt und dann zufrieden lächeln.

Beeindruckt 1,2,3:

1. Geister

Letzte Woche war der Regen während meiner Elementary-Class mal wieder zu laut, als das man unterrichten könnte. Also haben wir uns in einem Sitzkreis zusammengekuschelt und über... Geister geredet. Ich dachte sie machen Spaß, als sie mich gefragt haben, ob ich an Geister glaube. Ich habe gelacht, natürlich glaube ich nicht an Geister. Doch sie meinten es toternst. Drei meiner Schülerinnen behaupten, schon einen gesehen zu haben. Geister schweben, sie haben keine Beine, und manche haben keinen Kopf und nehmen das Essen durch den offenen Hals zu sich und ach, ganz komische Geschichten, die sie da erzählt haben.  Als dann Chan mit einem komischen Geräusch aus einer Ecke gesprungen kam, habe ich mich mindesten genauso erschrocken, wie alle anderen auch und bin mit einem mulmigen Gefühl in der Dunkelheit nach Hause gefahren. Ich glaub immer noch nicht dran, aber wirklich, SIE tun das. Sie glauben es wirklich. Und das fand ich beeindruckend.

2. Unfall

Conversationclass
Conversationclass

Auch beeindruckend, aber definitiv im negativen Sinne war der erste Unfall, den ich zusammen mit Julia gesehen habe. Nichts Großes: Ein junger Mann kommt mit zu hoher Geschwindigkeit aus einer Seitengasse, bremst zu spät, wodurch er gefährlich nah an die Fahrbahn einer jungen Frau heranfährt, die vor Schreck voll auf die Bremse haut, weswegen ihr Moto auf der staubigen Straße wegrutscht. Der Schock ist ihr noch ins Gesicht geschrieben und sie schaut den jungen Mann vorwurfsvoll an, während sie noch halb unter ihrem Moto begraben ist. Und was tut er? Er schaut sie an, grinst, ja lacht beinah und fährt ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen weiter. WAS?! Das war sowas von unglaublich. Wir haben das unseren Schülern erzählt und Staßenunfälle zum Thema unserer Conversationclass gemacht. Zu meiner Erleichterung waren auch die Schüler empört. Ein derartiges Verhalten scheint immerhin nicht der Standard zu sein. 

3. Theater und Film und Regen

Die Conversationclass findet jeden Dienstag und Donnerstag nach der letzten Abendklasse statt. Alle Schüler, die Lust haben sich noch über Gott und die Welt zu unterhalten, können dableiben und sich in einer großen oder kleinen Runde unterhalten. Außerdem gibt es noch den Creative Friday. Hier soll der Unterricht kreativ gestaltet werden, natürlich trotzdem auf Englisch. Für die jüngeren Schüler bedeutet das meistens Malen, wenn nicht etwas ganz besonderes geplant ist.BILD Für die Älteren bedeutet das ab jetzt jedoch dank Julia und Eileen jeden Freitag: Theater oder Film. Das ist ihr Projekt, mit dem sie hierher gekommen sind. 

Unsere Jüngsten am Creative Friday ©Jako
Unsere Jüngsten am Creative Friday ©Jako
Während wir "Magic hand" spielen
Während wir "Magic hand" spielen

Ich unterstütze Julia bei der Theater-Gruppe. Die beiden haben tausende verschiedene Spiele vorbereitet, die für mich genauso neu, interessant und witzig sind, wie für die anderen Schüler auch. Inzwischen kommt es jedoch immer häufiger vor, dass es Abends richtig heftig regnet. Der Wind fegt die Wassermassen dann dermaßen in den ersten Klassenraum hinein, dass das Spielen genauso unmöglich wird, wie das Unterrichten.  Wenn es so windet und regnet wird es aber wirklich kalt. Deshalb treten viele Schüler lieber den Heimweg durch den Monsum an, anstatt eine Stunde in der Kälte abzuwarten.



Der zweite Klassenraum ist durch eine Plane von dem ersten getrennt, bleibt also vom Wind verschont. Das Wasser findet trotzdem seinen Weg BILD. Aber das ist dann auch schon wieder echt witzig. Hier kümmern sich Eileen und Jako um das Filmprojekt. Die Klasse darf einen kompletten Film selbst drehen. Das Kameramaterial haben Eileen und Julia mitgebracht, die Idee, einen Film über einen Schwulen zu drehen, der erst Außenseiter ist, aber nicht aufgibt: Tja die Idee kam von der Klasse. Wir waren (mal wieder) beeindruckt.


Wohlfühlen

Wenn wir schon beim Thema sind: Eileen und Julia tun mir unglaublich gut, die beiden sind dermaßen exakt meine Wellenlänge... ich versteh garnicht wie ich so ein Glück haben kann. Erst Jako und dann diese zwei. Es ist ja nicht so, als würde ich mich mit allen, die ich hier kennen lerne, auf Anhieb so gut verstehen, wie es mit diesen 3 war. Echt krass, ich bin so dankbar. Die glückliche, fröhliche, offene Inka ist wieder zurück. Die Inka, die sich wohl fühlt und für die es deshalb auch leichter ist, auf fremde Menschen zuzugehen. 

Es wird einem ja immer erzählt „Ach beim Reisen lernst du so einfach andere Leute kennen“, aber ich konnte mir das nie vorstellen. Jetzt weiß ich es: Es ist wirklich so einfach. Im Pool von unserem Stamm-Guesthouse „Base-Villa“ wurden innerhalb nicht mal einer Stunde aus 4 Leuten, die Wasserball spielen, plötzlich... 10? Das Witzigste: Fast alle konnten Deutsch. Später sind wir zusammen in eine Skybar gegangen. Unglaublich dieser Ausblick. Die Lichter der Stadt und die Dunkelheit des Mekongs. Der Abend war ein derartiger Kontrast zu dem Abend auf dem Boot. Dort habe ich die Natur bewundert; hier, einige hundert Meter über Phnom Penhs Straßen bewunder ich, was die Menschheit geschaffen hat. Beides ist definitiv beeindruckend, doch ich komm nicht drumrum, dass ich beim Anblick der künstlichen Lichter auch an all die negativen Auswirkungen denken muss. Ne ne, die Natur ist bei weitem unschlagbar.


Partymeile

Nach der Skybar sind wir noch in einer kleineren Gruppe auf die Partymeile gegangen, um ein bisschen was zu trinken. Es war eine echt nette Runde und vor allem die Umgebung war sehr interessant. Um 1 Uhr nachts waren immer noch Kinder unterwegs, um Blumen gegen Geld einzutauschen, aber auch einfach um Spaß zu haben. Eileen wurde ungefähr zu Tode gekitzelt und wir konnten unsere ersten Khmer-Kenntnisse verwenden, um Name, Alter und Anzahl der Geschwister zu erfahren. Wir waren so stolz, dass die Kinder uns verstehen konnten. Aber da waren auch noch die ganzen Prostituierten, die besoffenen Backpacker, die besoffenen Prostituierten, die besoffenen Kambodschaner, die alten Westler mit den jungen Prostituierten,  und der kleine Junge, der uns gleich 3 Prostituierte auf einmal anbot: 

"Good price for you."

Abschied

Ja, das war schon schockierend. Ansonsten war das Wochenende aber weiterhin ein voller Erfolg: Ich habe eine Speicherkarte für meine neue Kamera gekauft! Knallhart verhandelt und eine passende gefunden, sogar mit einem Jahr Garantie!! Und ich konnte nun knipsen knipsen knipsen. Ich hatte so unnormal gute Laune! Außerdem haben wir ganz viel Zeit mit Allen verbracht, ein malaysischer Freiwilliger, der uns den Montag danach verlassen hat. Nicht ohne davor noch einmal für uns zu kochen. Goooott ich habe seit meinem ganzen Aufenthalt in Kambodscha noch nicht etwas so leckeres gegessen. Und als Allen uns verließ und sagte, dass er froh ist, uns kennen gelernt zu haben, und ihm außerdem dieses Wochenende mit uns besonders gut gefallen hat, das hat mich so berührt! Weil es sich für mich auch so gut angefühlt hat. Allen war der erste Mensch, den ich in so kurzer Zeit lieb gewonnen habe, aber dann loslassen musste. In einer Woche ist Yins Monat bei SCAO um, und sie geht wieder nach Deutschland. In gut 2 Monaten werden dann auch Eileen und Julia weg sein. Ich kann mir das noch gar nicht vorstellen.

Central Market:

Russian Market:


Ein Monat rum

Auch für mich ist schon ein Monat rum. Vor einem Monat habe ich Deutschland verlassen. Ich war noch nie so lange von meinen Freunden und meiner Familie getrennt und ich komme damit gut klar. Fast immer: Ich habe einige Bilder ausgedruckt und an meine Zimmerwand gehangen (das gehört auch zum Ankommen). Davor habe ich sie alle noch einmal ganz genau angeguckt und die Erinnerungen, die ich mit den Bilden verbinde, tief in mir gespürt. So schöne Erinnerungen, die mir ein unbewusstes, permanentes Lächeln ins Gesicht gezaubert haben. Dieses Lächeln habe ich erst bemerkt, als es anfing zu bröckeln. Ich erinnere mich sehr gut an diesen Moment. Diesen Moment, in dem ich daran gedacht habe, dass ich ein Jahr lang keinen Körperkontakt zu meinen wichtigsten Menschen haben können werde. Diese vertrauten Berührungen. Und der Gedanke daran hat mich mit soo tiefer Trauer erfüllt, wirklich, die Tränen waren kurz vorm Überlaufen. Es hat eine ganze Weile gedauert auf diese Erkenntnis klar zu kommen. Ich habe mir gesagt, „hey es ist schon ein Monat, das heißt, 1/12 ist schon vorbei. Nur noch 11 mal diese Zeit, dann bin ich zurück.“ Und ich habe versucht mir die Freude vorzustellen, die ich spüren werde, wenn ich meine Liebsten wiedersehe. Ich kann sie mir immer noch nicht vorstellen, das wird ein unglaubliches Gefühl sein. Aber dann dachte ich: Was? Schon ein Monat? Und ich bin in einen Zwiespalt geraten. Ich kann das ganz schlecht beschreiben aber jeder Tag, der mich näher an Deutschland bringt, ist ein Tag weniger, den ich in Kambodscha haben werde. Und das fühlt sich sooo komisch an! 

Ich liebe Kambodscha

Während meinem gesamten Leben in Deutschland habe ich niemals gedacht „Ich liebe Deutschland“. Doch GENAU dieser Gedanke ist mir während einer TukTuk Fahrt gekommen, und ich habe ihn direkt in meinem Momente-Buch festgehalten (wofür ich sehr dankbar bin, ich hätte das Gefühl im Nachhinein nicht so gut beschreiben können):


„Rückweg von den Killing Fields: Ich schau die Straßen an und komm nicht aus dem Lächeln raus. So toll! Ich liebe Kambodscha und ich habe so etwas noch nie in Deutschland gespürt. Nicht speziell die Natur, nicht speziell die Häuser. Alles zusammen: Menschen, egal wo ich hinkomme, der Anblick fasziniert mich und erfüllt mich mit Glücklichkeit. Ich kann mich nicht satt sehen.“

Und der Gedanke, dass SCHON 1/12 meiner Zeit in Kambodscha um sein soll, versetzt mich in eine Art Panik; eine Angst, nicht alles zu schaffen und zu sehen, was ich aber sehen und schaffen will.

Aber ich weiß ganz genau, dass solche Gedanken unnütz sind und alles so kommen wird, wie es kommen soll. Und ich weiß, dass ich in diesem Monat schon sooo viel erlebt habe, so viele tolle Sachen, obwohl ich noch nicht mal umhergereist bin. Es läuft alles gut.

Lehrerrythmus

Mit Essen angefangen, mit Essen aufhören: Während ich in meiner ersten Woche pro Tag teilweise nur eine oder keine Mahlzeit zu mir genommen habe, esse ich jetzt sooo viel. Vor allem habe ich unnormal Bock auf Süßigkeiten. Wüsste ich es nicht besser, würde ich denken, ich wäre schwanger. Absolut keine Ahnung, wieso hier alle so dünn sind. Es gibt so viel leckeres, billiges, fettiges Zeug! Ich bin gespannt, wie sehr ich zunehmen werde. Ich esse sooo viel.

Generell: Ich habe meinen Alltag definitiv gefunden. Ich habe eine Morgenklasse, wegen der ich um 8 Uhr morgens aufstehen muss. Danach habe ich bis 4 Uhr nachmittags Freizeit, die mit Khmer lernen, Schreiben, und Kochen reichlich gefüllt ist. Danach büffel ich in meiner Khmer-lesson, und lasse danach bis halb8 abends noch meine 2 Abendklassen büffeln.  Zuhause wird dann nochmal gekocht und geredet. Das füllt den Tag sehr gut. Ich wache sogar am Wochenende um 8 Uhr morgens auf. Ich nenne es den Lehrerrythmus :D


Dienstag, 01.09.15

Vorweg eine Anmerkung bezüglich der Bilder: Du wirst erfahren, dass ich mir eine Kamera gekauft habe, jedoch fehlt dafür noch eine passende Speicherkarte. Bis dahin werde ich auf die Bilder meiner lieben Kollegen zurückgreifen müssen. Eine Übersicht dieser besagten Kollegen habe ich nun eingerichtet: Andere Freiwillige.

Das Einführungsseminar

Am Mittwoch sind wir zum Einführungsseminar nach PP gefahren. Dort haben wir die anderen Freiwilligen vom DRK und später die anderen Freiwilligen vom VJF getroffen. Es war wirklich schön sie alle wiederzusehen. Die Unterbringung war zum ersten Mal nicht in einem Guesthouse, sondern in einem Hotel. Bei dem Anblick der Badezimmer dachten wir, wir träumen. Es gab richtige Duschen! Außerdem waren diese Morgende im Long Live Hotel die einzigen Momente, in denen mir seit langer Zeit richtig kalt war. Also so richtig kalt, dass ich zittern musste. Aus dem unterkühlten Schlafzimmer ins unterkühlte Badezimmer in die kalte Dusche. Brr. Aber überlebt.

Blick aus dem Hotel ©Fabi
Blick aus dem Hotel ©Fabi

Was haben wir auf dem Einführungsseminar so getrieben?

Wir haben eine Cyclo-Tour gemacht, die mit einer Stadtbesichtigung verbunden wurde. Cyclos sind Fahrräder, die von alten Kambodschanern durch den Verkehr gestrampelt werden. Das Besondere: Sie haben einen Sitz vorne angebracht, damit Touris (wie wir) hübsch auf dem Präsentierteller Phnom Penh bestaunen können. Mir war es ziemlich unangenehm, aber irgendwie war es auch witzig, vor allem weil mein Fahrer so niedlich war. Und dank ihm habe ich sogar Affen gesehen! Affen, wie Herr Nilsson von Pipi Langenstrumpf! Die sind mitten in der Stadt auf den Stromkabeln rumgeklettert. Unser Guide war ebenfalls niedlich und hat uns wirklich interessante Ecken gezeigt. Hübsche Gebäude aus der Kolonialzeit Frankreichs, manche restauriert, viele zerfallen. Als die Leute nach der Zeit der Khmer Rouge wieder in die Stadt kamen, standen alle Häuser leer. Wer zuerst einzog, dem gehörte das Gebäude von nun an und natürlich waren das keine reichen Familien, die in den alten Bauten Schutz suchten. Und natürlich haben diese Familien ganz andere Sorgen, als das Geld für die Restauration zusammenzusparen.

Außerdem haben wir das ehemalige Gefängnis S-21 besucht, das heutzutage eine Gedenkstätte ist. Man kann die Räume betreten, in denen vor 40 Jahren die Gefangenen der Khmer Rouge auf dem Bett gefesselt lagen. In jedem Raum hängt ein anderes Bild, das eine ähnliche Szene zeigt: Gefolterte, abgemagerte Gestalten, die mit Fußfesseln entweder auf oder neben dem Bett liegen. Dank Schwarz-Weiß kann man das Blut nur erahnen. Zusätzlich zum Bild findet sich in jedem dieser Räume eben dieses Bett und diese Fußfesseln, die man auf den Bildern erkennen kann. Das Bild wird zur Realität, all das ist genau hier wirklich geschehen. Das ist extrem erschreckend und beeindruckend gewesen und man hat sofort einen Stein auf dem Herzen. Der wird noch viel schwerer, als man an den tausenden von Portraits vorbeigeht: Fotos der Opfer, alt und jung. Auf manchen Bildern sieht man nur die Gesichter, auf anderen kann man noch die qualvolle Haltung erahnen, in der sich das Opfer während des Fotos befand oder die Folter, die es kurz vorher durchlebt hatte. Besonders interessant waren die Geschichten einzelner Personen, die die Zeit der Khmer Rouge überlebt haben, weil sie wertvolle Talente hatten, die die Khmer Rouge zu ihren Vorteilen nutzen konnten, wie zum Beispiel Zeichner oder Mechaniker.

Naja, das war Kambodscha damals. Heute wollen die Kambodschaner nicht mehr daran denken. Sie wollen nach vorne schauen, weitermachen, so hat es zumindest Nico erklärt. Große Schritte nach vorne zeigt das moderne Einkaufszentrum “AEON”, das nur wenige hundert Meter von unserem Hotel entfernt errichtet wurde. Ein riesen Teil. Komplett klimatisiert und komplett teuer. Teilweise sogar teurer als in Deutschland. Drinnen durften keine Fotos gemacht werden und es waren kaum Leute unterwegs, es wirkte fast wie ausgestorben. AEON ist ein Schritt nach vorne, ein Schritt den kaum ein Kambodschaner mitgehen kann. Ist es dann noch ein Schritt in die richtige Richtung? Mich hat es eher traurig gemacht.

Das AEON-EInkaufszentrum ©Inka

Generell war das Einführungsseminar extrem informativ! Etwa so informativ, wie ich mir das Vorbereitungsseminar in Berlin gewünscht habe. Unser “Betreuer” für die drei Tage war Nico, der Leiter vom Meta-House. Das Meta-House ist das deutsch-kambodschanische Kulturzentrum in PP. Eine klasse Einrichtung und Nico weiß so viel! Er wohnt jetzt seit 15 Jahren in Kambodscha, hat eine Frau und 2 Kinder und eine Menge zu erzählen. Was ich besonders interessant bzw. erschreckend fand: Das Thema Vergewaltigung. Ausländische Frauen brauchen da keine Angst zu haben. Wenn 1 mal im Jahr ein Übergriff passiert, ist das sofort ein großes Ding in den Zeitungen. Will sagen: Es passiert sehr selten. Nicht so bei kambodschanischen Frauen: Nico hat erzählt, dass jeder fünfte kambodschanische Mann schon einmal an einer Massenvergewaltigung teilgenommen hat, laut Statistik. Ich finde das unfassbar. Unfassbar schrecklich.

Außerdem wurden wir vor Tausendfüßlern gewarnt. Die Tiere sind so uralt, dass sie Giftstoffe innehaben, mit denen unser Körper komplett nichts anfangen kann und die uns dann für eine Woche auf einen extrem schmerzhaften LSD-Trip schicken. Nein Danke. Ich habe solche Viecher noch nie gesehen und werde davon hoffentlich auch verschont bleiben.

Was ich uuuunbedingt noch erzählen muss: Während einer Mittagspause bin ich extrem spontan noch losgefahren, um eine Kamera zu kaufen. Ich. Alleine. Durch PP. An einen unbekannten Ort. Ploy, einer der Kambodschaner vom Vorbereitungsseminar hatte so eine kleine GoPro-Fake-Kamera dabei, die ich ziemlich cool fand. Er meinte, es gibt in PP nur einen Laden, der diese Kamera verkauft. Ich habe mir den Namen vom Shop besorgt und per Facebook nachgefragt, ob sie die Kamera auf Lager haben, und dann meine Angst überwunden und bin alleine losgezogen, um einen MotoFahrer zu finden, der eine grobe Ahnung hat, wo die Straße sein könnte, zu der ich hin will. Es gibt hier ja keine genauen Adressen und nur wenige Straßennamen und noch weniger Straßennamen, die die Fahrer auch wirklich kennen. Hinzu kommt, dass sie keine Karten lesen können. Damn. Ich hab es trotzdem geschafft und den Laden und die Kamera gefunden. Der Verkäufer war ein klasse Typ und während er mir noch freundlicherweise bei der Installation der Kamera geholfen hat, konnte ich gar nicht aufhören vor Glückseligkeit und Freude vor dem Tresen auf und ab zu hüpfen. Ich war einfach so unglaublich glücklich und STOLZ. Das war nämlich auch das erste Mal, dass ich bei einem fremden Moto mitgefahren bin und man, es hat einfach alles geklappt. Klar gab es Probleme, aber wenn man die Probleme dann meistert, fühlt es sich NOCH besser an! Der Tag war sowas von gerettet. Ich liebe so etwas. Stolz auf sich sein zu können, bringt eine Menge Glücksgefühle mit sich.

Am letzten Tag haben wir uns mit der Deutschklasse vom Goethe Institut getroffen. Mit diesen Studenten, die nach Deutschland wollen und dafür Deutsch lernen müssen, werden wir in Zukunft vielleicht noch öfter zu tun haben: Auf Wanderungen, in Yogakursen, oder auf einem Trip ins Kloster, den ich auf jeden Fall mitmachen will. Eine Woche lang im Kloster leben! Wer sich so eine Erfahrung entgehen lässt, ist selbst Schuld.

Danach ging es auf einem Boot 3 Stunden lang den Mekong hoch und runter. Der Sonnenuntergang war noch besser, als er uns versprochen wurde. Und mal wieder (wie so oft, wenn die Natur sich wieder in ihrer ganzen Schönheit zeigt) habe ich diese intensive Dankbarkeit verspürt. Dankbarkeit ist auch ein schönes Gefühl, das wir eigentlich in jeder Sekunde bewusst fühlen sollten. Dankbarkeit an diese Welt, die so wunderschön ist. Und ach, wie klein wir doch eigentlich sind, was für ein Nichts in diesem wundervollen Universum. Und dann kommt das neue Hotel mit den Diskolichtern im hundertsten Stockwerk, das ein paar Minuten der kompletten Idylle klaut, indem es die Sicht auf den Horizont versperrt. Also wende ich den Blick ab und bemerke die Leuchtreklame, deren Lichtreflektionen auf dem Wasser weiter reichen, als die des Vollmondes, der auf der anderen Seite gerade aufgeht. Phnom Penh ist im Wandel, und wenn ich nicht in einem halben Jahr massive Veränderungen im Vergleich zu heute feststellen werde, dann spätestens in einem Jahr. In meiner Straße werde ich den Wandel noch früher spüren können: Es wird vielleicht noch 2 Monate dauern, bis diese hübschen Häuser schräg gegenüber zum Einzug bereit sind. Keine Ahnung, wer darin wohnen soll, ich bin gespannt. Diese Bootsfahrt war auf jeden Fall toll.

Das Seminar hat sich wie Wochenende angefühlt und als wir Samstagmorgen ausgecheckt haben und wirklich Wochenende hatten, wusste ich nicht so recht, was ich mit mir anfangen soll. Ich wollte irgendetwas tun, aber es war einfach nichts los! Wir haben in einem Guesthouse eingecheckt und den Pool und das Essen ausprobiert. Die meiste Zeit jedoch habe ich Musik gehört und Heimweh gehabt. Kein richtig schmerzhaftes, aber sehnsüchtiges. Ich habe meine Musik gehört und realisiert „Wow. Ein Jahr lang nicht mit meinen Freunden tanzen. Ich mein. WOW. Und es sind grad mal 2 Wochen rum.“ Wenn ich nur rumhänge, dann vermisse ich Zuhause, denn Zuhause habe ich nur selten rumgehangen, weil ich immer Freunde treffen oder nähen, zocken, oder sonst was machen konnte. Solange ich hier noch nicht richtig integriert bin, gibt es außer Schulvorbereitung  nicht sonderlich viel zu tun.

Zuwachs

AAAABER: Das hat sich schlagartig geändert. Am Sonntagabend war ich noch nervös und blickte eher mit Angst dem Montag entgegen. Jede Menge Arbeit und: 3 neue Freiwillige. 3 neue Freiwillige, die von uns eingearbeitet werden sollen, obwohl wir selbst noch nicht mal eingearbeitet sind. Und die 3 Monate bleiben. Das bedeutet, ich werde morgen Leute kennen lernen, mit denen ich klar kommen muss, ansonsten kann die Zeit hier echt unangenehm werden.
Gott, Meine Sorgen waren sowas von unberechtigt!! Die 3 neuen Freiwilligen tun mir unglaublich gut. Ich habe das Gefühl, endlich anzukommen und meine eigene Community aufzubauen, mein eigenes Team, für das alles genauso neu ist, wie für mich und durch all das Neue werden wir uns gemeinsam durchkämpfen, bis alles sitzt, denn wir haben ja 3 Monate Zeit. Das ist einfach klasse.
Unsere Truppe wurde also um 3 Freiwillige erweitert: Julia und Eileen, 2 Studentinnen aus Stuttgart, und Yinxue, die leider nur 4 Wochen bleibt. Sie kommt zwar aus Peking, aber zu unserer Überraschung studiert sie seit 5 Jahren in Deutschland und kann deshalb auch sehr gut Deutsch sprechen! Außerdem kann Yinxue natürlich chinesisch und da wir jetzt ein neues Team sind, haben wir beschlossen, zusammen zu kochen und dafür einkaufen zu gehen. Wir haben nach unser Gemüsefrau gesucht, die Antonia uns am ersten Tag gezeigt hat, konnten sie aber nicht finen. Also musste eine andere Dame herhalten, mit der wir jedoch ein paar Kommunikationsprobleme hatten. Auf einmal spricht besagte Dame jedoch Yinxue an, und ehe wir uns versehen, haben wir die perfekte Dollmetscherin: Die Gemüsefrau kann Chinesisch. Im Laufe des Tages hat sich herausgestellt, dass noch eine ganze Menge anderer Menschen in Kambodscha Chinesisch können. Ja, wir wussten das: Zu unserer Stadtbesichtigung hat auch ein chinesischer Tempel gehört. Aber dass diese Tatsache uns in unserer nahen Umgebung so sehr betreffen würde, hatten wir nicht erwartet. Es gibt echt eine ganze Menge Menschen auf dieser Welt, die Chinesisch können. Auch Allen, ein Freiwilliger aus Malaysia, der für SCAO arbeitet, spricht Chinesisch, und ein paar von unseren Schülern auch. Ich fand das extrem faszinierend! Außerdem kann Yinxue sehr gut kochen, hehe. Jetzt ist viel mehr los im Haus, ich gammel nicht mehr rum, sondern habe vorhin sogar genäht! 2 Topflappen für die Küche, nachdem ich mich gestern doch schon ein bisschen verbrannt habe.
Jap, so viel dazu. Noch etwas am Rande für die, die es interessiert: Ich bin dem Rat meiner Heilpraktikerin gefolgt und habe inzwischen seit 3 Wochen auf jegliche Hautcreme verzichtet. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist meine Haut inzwischen echt viel viel viel besser geworden. Viel. Ich bin zufrieden :) Nicht nur mit meiner Haut, sondern rundum und überhaupt. Wenn ich Zeit finde, kann ich sogar schon anfangen, meinen ersten Urlaub zu planen, eine Freundin möchte durch Asien reisen und wir wollen uns zusammentun.
Yay!


PS: Es ist gerade 1 Uhr nachts und gegenüber habe ich jetzt die zweite Nacht in Folge eine dicke fette Ratte beobachten können -_-